Kurse für Zahnärzte

Abstracts zu den Themen am Freitag 26.01.2024

Was kann Prävention leisten? Referent: Prof. Dr. Stefan Zimmer, Witten/Herdecke

Die zahnmedizinische Prävention hat in den letzten drei Jahrzehnten ihre Wirksamkeit sowohl in klinischen Studien als auch in der praktischen Umsetzung in die Versorgungsrealität eindrucksvoll unter Beweis gestellt. So konnten z.B. die Untersuchungen von Axelsson und Lindhe seit den 1980er Jahren zeigen, dass sich Karies und Parodontitis mit der Individualprophylaxe nahezu vollständig verhindern lassen. Daraus sind die Präventionsprogramme entstanden, die heute in vielen Zahnarztpraxen in Deutschland zum großen Nutzen unserer Patientinnen und Patienten Realität geworden sind. Auch auf anderer Ebene lassen sich eindrucksvolle Erfolge erzielen: In der häuslichen Prävention mit guter Mundhygiene und Fluoridzahnpasten, mit der Gruppenprophylaxe in Schulen und Kindergärten und mit der kollektiven Prävention mit fluoridiertem Speisesalz. 
Zwar zeigt nur die Individualprophylaxe als einzelnes Instrument nahezu 100%ige Wirksamkeit, aber dennoch ist es unter Kosten-Nutzen-Aspekten sinnvoll, zunächst das Potenzial der anderen genannten Maßnahmen auszuschöpfen. Im Gegensatz zur Individualprophylaxe, die ein hohes Maß an eigener Gesundheitskompetenz und Inanspruchnahme-Verhalten erfordert, sind diese auch besser geeignet, das so genannte Präventionsdilemma zu reduzieren. Darunter versteht man die Tatsache, dass die Prävention bei den Menschen, die einen besonders hohen Bedarf haben, unterdurchschnittlich schlecht ankommt. Geringe Gesundheitskompetenz und Motivation, aber auch kulturelle und soziale Barrieren sowie geringe finanzielle Ressourcen spielen hier eine Rolle. 
 

Das orale Mikrobiom – Was macht es mit uns und was können wir mit ihm machen?                                              Referent: Prof. Dr. Thomas Beikler, Hamburg

Die Zeiten in denen man mit „Karius und Baktus“ versuchte, die orale Mikrobiologie zu erklären, sind längst vorbei. Die Gesamtheit der intraoralen Mikroorganismen - das orale Mikrobiom – ist ein komplex reguliertes und auch noch nicht vollständig verstandenes System. Ein mikrobiologisches „Ungleichgewicht“ in diesem Bereich – die orale Dysbiose- kann zur Aktivierung entzündlicher Prozesse nicht nur in der Mundhöhle, sondern auch weiter entfernt im Körper führen und den Verlauf entzündlich bedingter systemischer Erkrankungen beeinflussen. Das Spektrum reicht hier von neurologischen bis hin zu dermatologischen Erkrankungen und zeigt, dass nicht nur die lokale, sondern auch die systemische Gesundheit des Menschen durch die Zahnmedizin beeinflussbar sind. Trotz der noch nicht vollständig verstandenen Interaktionen gibt es mittlerweile neben den klassischen Therapieverfahren einige – zum Teil auch bereits klinisch angewandte – adjuvante Ansätze, dieses mikrobiologische Ungleichgewicht zu modulieren und damit möglicherweise auch die systemischen Effekte oraler Erkrankungen zu reduzieren.    

 

Fluoride – Auswahl, Applikation und Alternativen? Referent: Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Hamburg

Die zentrale Rolle von Fluorid in der Kariesprävention, insbesondere die lokale Applikation von Fluoridpräparaten auf die Zahnoberflächen, ist unbestritten. Die verbreitetsten Applikationsformen von Fluorid bestehen in der eigenverantwortlichen Anwendung von Zahnpasten und der professionellen Applikation von Fluoridlacken. Die Erfolge dieser Maßnahmen sind in der bleibenden Dentition beeindruckend, während die Kariesreduktionen für das Milchgebiss geringer ausfallen. Die Wirkungsmechanismen der Fluoride sind gut erforscht. Während die Auswahl der verwendeten Fluoridverbindungen kaum von Bedeutung ist, bestehen deutliche Zusammenhänge zwischen der einwirkenden Fluoridkonzentration und der Karieshemmung. 
Aufgrund der noch unbefriedigend hohen Karieslast im Milchgebiss wurden die Empfehlungen über den Fluoridgehalt in Zahnpasten für Kleinkinder zu höheren Fluoridgehalten von 1000 ppm Fluorid hin aktualisiert, die spätestens ab dem Alter von 12 Monaten verwendet werden sollen. Die neuen Empfehlungen sind toxikologisch unbedenklich. Jedoch sind die Eltern zur Vermeidung von Schmelzfluorosen zur Beschränkung der verwendeten Zahnpastenmenge anzuleiten. Die Anwendung von Fluoridlacken soll in die kariespräventive Versorgungsroutine von Kleinkindern integriert werden, wobei die Häufigkeit dieser Maßnahme auf das individuelle Kariesrisiko des Kindes abgestellt sein sollte. Bei bereits bestehenden Schmelz-Demineralisationen erhält die Applikation von Fluoridlacken besondere Bedeutung.
Sämtliche fluoridfreien Anwendungen versagen in Bezug auf die Kariesreduktion als Alternative zu den fluoridhaltigen Produkten. Bezeichnender Weise hat die Weltgesundheitsorganisation Fluoridzahnpasten vor Kurzem als unverzichtbar klassifiziert.

 

Prävention im Alter – und Therapieoptionen bei deren Scheitern, Referentin: Prof. Dr. Carolina Ganß, Marburg

Ist Prävention bei alternden Menschen anders? Ja! Medikamente können Auswirkungen auf die Mundgesundheit haben, verschiedenste Einschränkungen erschweren die Mundhygiene, Parodontitiden exponieren Wurzeloberflächen und die Prävention von Wurzelkaries braucht anders gewichtete Präventionsansätze als die der koronalen Karies. Für Restaurationstechniken und Materialauswahl schließlich sind nicht nur lokale Gegebenheiten, sondern vor allem auch die Behandlungsbedingungen ausschlaggebend. Der Vortrag befasst sich mit individualisierten und ursachenbezogenen Präventions- und Therapiekonzepten bei heterogenen Lebensumständen alternder Menschen.